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Recht und Kommunikation – zwei Seiten einer Medaille

Die Verrechtlichung in der PR schreitet unaufhaltsam voran. Zeit für Kommunikatoren, die Augen noch besser offenzuhalten. Was sie jetzt wissen müssen, beschreibt unser Geschäftsführer Martin Wohlrabe im KOMMUNIKATIONSMANAGER aus dem FAZ-Verlag.

Die Zeitbombe tickt unter Punkt 99c - gut versteckt und voller Sprengkraft. In einem aktuellen Consultation-Paper der europäischen Wertpapieraufsicht (ESMA) heißt es sinngemäß: Wer sich künftig irreführend in Interviews äußert, dem soll die Behörde fester auf die Finger klopfen dürfen. Noch ist nicht ausgemacht, was aus dem ESMA-Vorschlag wird, aber die Tendenz ist klar: Die Verrechtlichung der Kommunikation schreitet voran.

Los ging es im Jahr 2016 mit Ex-Deutsche-Bank-Chef Breuer. Rund 3 Mio. Euro muss er aus eigener Tasche für sein umstrittenes Kirch-Interview zahlen, anschließend meldete sich erstmals der Aldi-Clan in einem dramatischen Rechtsstreit mehrfach öffentlich zu Wort und jetzt die Diskussion um die ESMA. In unserer Praxis beobachten wir, dass juristischer Sachverstand in der PR eine immer wichtigere Rolle spielt. Jetzt werden Sie denken: Klar, hier schreibt auch ein Jurist. Aber betrachten wir die Situation einmal gemeinsam näher:

In einem Hearing in Paris hat die ESMA folgenden Fall geschildert und die Folgen aus ihrer Sicht geschildert: Am Jahresanfang gibt der CEO ein Interview. Aussage: Wir planen keine Akquisitionen im laufenden Jahr. Kommt es Monate später doch zu Übernahmegesprächen, müsste er diese künftig umgehend öffentlich machen – das Ende jeder Verhandlung. Die Folge: PR muss künftig noch genauer darauf achten, wie Interview-Antworten formuliert sind. Im Zweifelsfall werden weitere Einschränkungen im Sinne von „nach derzeitigen Überlegungen“ nötig.

Böse erwischt hat dieses Jahr Ex-Deutsche-Bank-Chef Breuer. Sein ehemaliger Arbeitgeber bekommt 3,2 Mio. EUR für seine Äußerungen über Leo Kirch. Wir erinnern uns alle: Breuer hatte in einem Interview die Kreditwürdigkeit von Leo Kirch in Frage gestellt, wenig später war Kirch pleite. Diese unbedachte Aussage kostet Breuer nun etwa ein Drittel seines privaten Vermögens.

Und noch ein weiteres Beispiel: Aktuell für viel Furore sorgt die Aldi-Familie. Da ist der Clan über Jahrzehnte so schweigsam, wie das hauseigene stille Mineralwasser und dann gleich zwei große Wortmeldungen innerhalb weniger Wochen. Erst ein Stern-Titel, kurz darauf das große Handelsblatt-Interview. Doch was steckt dahinter? Wir erleben hier prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit in Reinform. Die Aldi-Erben kämpfen um die Macht im Konzern, ausgetragen wird die Auseinandersetzung u.a. vor dem Verwaltungsgericht. Ein Familienteil geht an die Öffentlichkeit, um so für seine Interessen zu trommeln.

Man sieht also: Es tut sich was in der PR, sobald es rechtliche Auseinandersetzungen betrifft. Auch wenn es hier um die verschiedensten Felder geht, generell gilt: Kommunikation und Recht gehören stärker denn je zusammengedacht. Wer eins ohne das andere betrachtet, wagt ein gefährliches Vabanque-Spiel. Behördliche Notifikationspflichten, Ad-Hoc-Meldungen, aktienkursrelevante Informationen - die Liste ließe sich beliebig fortführen, sie belegt vor allem eins: Kommunikation und Recht sind zwei Seiten einer Medaille.

Und diese Entwicklung wird künftig auch verstärkt in Gerichtssälen einziehen. Derzeit plant Justizminister Maas die Regeln fürs Court-TV zu lockern. Konkret will er erlauben, künftig die Verkündung von Urteilen an obersten Bundesgerichten live zu übertragen – so wie wir es bislang ausschließlich vom Bundesverfassungsgericht kennen. Damit haben wir zwar noch lange keine US-amerikanischen Verhältnisse, aber die Richtung ist klar: Emotionen ziehen Medien an. Und garantieren nicht gerade juristischen Auseinandersetzungen häufig emotionale Stoffe? Wir können uns also alle sicher sein: Kommunikation und Recht werden uns alle noch lange beschäftigen.

Abschließend, denn heute wichtiger denn je: Die sozialen Netzwerke. Hier legte zuletzt der Möbelgigant Ikea eine veritable Bauchlandung hin. Die Schweden ließen die Betreiberin der eigentlich recht harmlosen Webseite ikeahackers.net abmahnen. Grund: Schutz der Markenrechte. Die Homepage zeigte Privatleuten, was man so alles aus Ikea-Produkten basteln kann. Die Folge: negative Berichte in der internationalen Presse und ein globaler Shitstorm unter dem Hashtag „Ikeafail“. Shitstorms sind das "Empörungsinstrument der Generation Twitter", wie der Passauer Rechtswissenschaftler Dirk Heckmann einmal zurecht sagte. Auf Facebook schrieb ein User: „Wer ohne Rücksicht auf Verluste seine Markenrechte durchsetzt, hat es nicht verdient, dass ich dort Kunde bin.“ Der Fall ist zwar etwas anders gelagert als die vorherigen – das Prinzip bleibt allerdings dasselbe.

Unser Rat daher: Verzahnen Sie Unternehmenskommunikation und Rechtsabteilung so eng wie möglich. Natürlich treffen hier Welten aufeinander – aber mit dem Vier-Augen-Prinzip und einem guten Miteinander sind doch meist die besten Ergebnisse möglich: Denn nicht immer macht Sinn, was juristisch möglich, sondern vor allem was wirtschaftlich sinnvoll ist. Und genau hier setzt die Aufgabe von uns Kommunikatoren an: Ganzheitlich die Augen offen zu halten.

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