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April 2015

Recht und Kommunikation – zwei Seiten einer Medaille

Die Verrechtlichung in der PR schreitet unaufhaltsam voran. Zeit für Kommunikatoren, die Augen noch besser offen­zuhalten. Was sie jetzt wissen müssen, beschreibt unser Geschäftsführer Martin Wohlrabe im KOMMUNIKATIONSMANAGER aus dem F.A.Z.-Verlag.

Die Zeitbombe tickt unter Punkt 99c - gut versteckt und voller Spreng­kraft. In einem aktuellen Consultation-Paper der europäischen Wertpapier­aufsicht (ESMA) heißt es sinngemäß: Wer sich künftig irre­führend in Interviews äußert, dem soll die Behörde fester auf die Finger klopfen dürfen. Noch ist nicht aus­gemacht, was aus dem ESMA-Vorschlag wird, aber die Tendenz ist klar: Die Verrechtlichung der Kommunikation schreitet voran.

Los ging es im Jahr 2016 mit Ex-Deutsche-Bank-Chef Breuer. Rund 3 Mio. Euro muss er aus eigener Tasche für sein umstrittenes Kirch-Interview zahlen, anschließend meldete sich erstmals der Aldi-Clan in einem dramatischen Rechts­streit mehrfach öffentlich zu Wort und jetzt die Diskussion um die ESMA. In unserer Praxis beobachten wir, dass juristischer Sach­verstand in der PR eine immer wichtigere Rolle spielt. Jetzt werden Sie denken: Klar, hier schreibt auch ein Jurist. Aber betrachten wir die Situation einmal gemeinsam näher:

In einem Hearing in Paris hat die ESMA folgenden Fall geschildert und die Folgen aus ihrer Sicht geschildert: Am Jahres­anfang gibt der CEO ein Interview. Aussage: Wir planen keine Akquisitionen im laufenden Jahr. Kommt es Monate später doch zu Übernahme­gesprächen, müsste er diese künftig umgehend öffentlich machen – das Ende jeder Verhandlung. Die Folge: PR muss künftig noch genauer darauf achten, wie Interview-Antworten formuliert sind. Im Zweifels­fall werden weitere Einschränkungen im Sinne von „nach derzeitigen Überlegungen“ nötig.

Böse erwischt hat dieses Jahr Ex-Deutsche-Bank-Chef Breuer. Sein ehemaliger Arbeit­geber bekommt 3,2 Mio. EUR für seine Äußerungen über Leo Kirch. Wir erinnern uns alle: Breuer hatte in einem Interview die Kredit­würdigkeit von Leo Kirch in Frage gestellt, wenig später war Kirch pleite. Diese unbedachte Aussage kostet Breuer nun etwa ein Drittel seines privaten Vermögens.

Und noch ein weiteres Beispiel: Aktuell für viel Furore sorgt die Aldi-Familie. Da ist der Clan über Jahr­zehnte so schweigsam, wie das hauseigene stille Mineral­wasser und dann gleich zwei große Wort­meldungen inner­halb weniger Wochen. Erst ein Stern-Titel, kurz darauf das große Handelsblatt-Interview. Doch was steckt dahinter? Wir erleben hier prozess­begleitende Öffentlichkeits­arbeit in Reinform. Die Aldi-Erben kämpfen um die Macht im Konzern, ausgetragen wird die Auseinander­setzung u. a. vor dem Verwaltungs­gericht. Ein Familienteil geht an die Öffentlichkeit, um so für seine Interessen zu trommeln.

Man sieht also: Es tut sich was in der PR, sobald es rechtliche Auseinander­setzungen betrifft. Auch wenn es hier um die verschiedensten Felder geht, generell gilt: Kommunikation und Recht gehören stärker denn je zusammen­gedacht. Wer eins ohne das andere betrachtet, wagt ein gefährliches Vabanque-Spiel. Behördliche Notifikations­pflichten, Ad-Hoc-Meldungen, aktienkurs­relevante Informationen - die Liste ließe sich beliebig fortführen, sie belegt vor allem eins: Kommunikation und Recht sind zwei Seiten einer Medaille.

Und diese Entwicklung wird künftig auch verstärkt in Gerichts­sälen einziehen. Derzeit plant Justiz­minister Maas die Regeln fürs Court-TV zu lockern. Konkret will er erlauben, künftig die Verkündung von Urteilen an obersten Bundes­gerichten live zu übertragen – so wie wir es bislang ausschließlich vom Bundes­verfassungsgericht kennen. Damit haben wir zwar noch lange keine US-amerikanischen Verhältnisse, aber die Richtung ist klar: Emotionen ziehen Medien an. Und garantieren nicht gerade juristischen Auseinander­setzungen häufig emotionale Stoffe? Wir können uns also alle sicher sein: Kommunikation und Recht werden uns alle noch lange beschäftigen.

Abschließend, denn heute wichtiger denn je: Die sozialen Netzwerke. Hier legte zuletzt der Möbelgigant Ikea eine veritable Bauchlandung hin. Die Schweden ließen die Betreiberin der eigentlich recht harmlosen Webseite ikeahackers.net abmahnen. Grund: Schutz der Marken­rechte. Die Homepage zeigte Privatleuten, was man so alles aus Ikea-Produkten basteln kann. Die Folge: negative Berichte in der internationalen Presse und ein globaler Shitstorm unter dem Hashtag „Ikeafail“. Shitstorms sind das

„Empörungs­instrument der Generation Twitter", wie der Passauer Rechts­wissenschaftler Dirk Heckmann einmal zurecht sagte. Auf Facebook schrieb ein User: „Wer ohne Rücksicht auf Verluste seine Marken­rechte durchsetzt, hat es nicht verdient, dass ich dort Kunde bin.“ Der Fall ist zwar etwas anders gelagert als die vorherigen – das Prinzip bleibt allerdings dasselbe.

Unser Rat daher: Verzahnen Sie Unternehmens­kommunikation und Rechts­abteilung so eng wie möglich. Natürlich treffen hier Welten aufeinander – aber mit dem Vier-Augen-Prinzip und einem guten Mit­einander sind doch meist die besten Ergebnisse möglich: Denn nicht immer macht Sinn, was juristisch möglich, sondern vor allem was wirtschaftlich sinnvoll ist. Und genau hier setzt die Aufgabe von uns Kommunikatoren an: Ganzheitlich die Augen offen zu halten.

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