Aktuelle News

Beitrag im Detail

Gastbeitrags-Serie „Kommunikation und Recht“

In unserer Gastbeitrags-Serie „Kommunikation und Recht“ berichten erfahrene Juristen über die Herausforderung, öffentlich gut zu kommunizieren.

Diesmal: Christian Deker. Der Journalist ist gelernter Jurist. Er war u.a. Mitarbeiter im „Ressort Investigation“ des NDR, das Teil der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ist und wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis 2017 für die „PanamaPapers“ ausgezeichnet. Derzeit arbeitet er für „Panorama - die Reporter“ (NDR).

Plädoyer gegen das Schweigen

Von Christian Deker, Journalist & Jurist

Christian Deker (Bild © Mandy Mülling)
Christian Deker (Bild © Mandy Mülling)

„Ich habe der Mandantschaft empfohlen, Ihnen gegenüber keine Stellungnahmen abzugeben.“ Diesen Satz lese ich als Journalist so (oder so ähnlich) immer wieder. Unter Presserechts-Anwälten scheint es eine durchaus erfolgsversprechende Strategie zu sein, die Mandanten gegenüber Journalisten schweigen zu lassen.

Wenn ich Hinweise auf Missstände erhalte, diesen Missständen nachgehe und während der Recherche Fragen an das betroffene Unternehmen oder die Verantwortlichen habe, laufen die Fälle meiner Erfahrung nach oft so ab:

  1. Unternehmen erhält inhaltliche Recherchefragen.
  2. Unternehmen engagiert teuren Rechtsanwalt.
  3. Unternehmen lässt Rechtsanwalt mitteilen, dass es (auf Rat des Anwalts) nichts sagen wird.
  4. Journalisten berichten (im Zweifel nach den Regeln der Verdachtsberichterstattung).
  5. Unternehmen behauptet öffentlich, die Berichterstattung sei komplett falsch.
  6. Es gibt kein juristisches Nachspiel.

Aus dieser seltsamen Choreografie ergeben sich verschiedene Aspekte, die unbefriedigend sind:

Journalisten stellen Fragen, um die Wahrheit herauszufinden. Deshalb haben Fragenkataloge nicht nur den Zweck, allen Beteiligten die Möglichkeit einer Stellungnahme zu geben und später die eigene Sorgfaltspflicht belegen zu können. Fast immer geht es auch darum, Behauptungen von Gesprächspartnern zu überprüfen und die eigenen Rechercheergebnisse auf Richtigkeit abzuklopfen.

Guten Journalismus zeichnet aus, auch falschen Fährten und Geschichten nachzusteigen. Der Unterschied zwischen gutem und schlechtem Journalismus ist aber, am Ende die falschen und halbwahren Geschichten nicht zu veröffentlichen.

Ich habe manchmal den Eindruck, Anwälte scheinen vor allem auf schlechten Journalismus zu hoffen. Nur so kann ich mir die Schweige-Strategie mitunter erklären: Die Hoffnung auf Fehler der Journalisten ist zugleich die Hoffnung des Anwalts auf Unterlassungserklärungen und Gerichtsverfahren. Was dabei übersehen wird: Das Unternehmen hat den oft irreparablen Schaden, erst einmal mit negativen (oder gar falschen) Behauptungen in der Öffentlichkeit zu sein. Und: In der Berichterstattung wird ihre Sicht der Dinge nicht einmal abgebildet.

Es ist also kein guter Plan, zu schweigen, um Recherche und Berichterstattung zu erschweren. Denn eine noch so kurze Antwort auf Journalisten-Fragen kann eine Berichterstattung sogar verhindern: Eine Erklärung, warum die Recherche unzutreffend ist, kann vor allem den eher unklaren und schlecht bewiesenen Geschichten die Voraussetzungen für eine Verdachtsberichterstattung entziehen.

Ich kenne sogar einen Fall, über den wir Journalisten gar nicht berichtet hätten, wenn der Anwalt seine zehnzeilige Pressemitteilung nicht erst nach der Berichterstattung veröffentlicht, sondern den Journalisten schon als Antwort auf ihre Fragen geschickt hätte. Natürlich wurden bei der Berichterstattung die Regeln der Verdachtsberichterstattung eingehalten. Aber der Mandant war in diesem Fall sicherlich schlecht beraten.

Zurück

Copyright © 2024 CONSILIUM Rechtskommunikation GmbH