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April 2015

Im Zweifel gegen den Angeklagten

Der Mediendruck in Wirtschafts­strafverfahren ist erheblich. Kein Grund, sich einzugraben. Warum dies immer mehr Straf­verteidiger erkennen und welche Alternativen es zur No-Comment-Strategie gibt, beschreibt unser Geschäfts­führer Martin Wohlrabe auf LEGAL TRIBUNE ONLINE.

Der Mammutprozess gegen die ehemaligen Chefs der Deutschen Bank zeigt es: Am Ende eines mit viel medialer Aufmerksamkeit geführten Verfahrens wurden die Angeklagten frei­gesprochen. Das Landgericht München I hatte nach einem Jahr Verhandlungs­dauer nicht einen einzigen Hinweis darauf gefunden, dass die ehemaligen Bank-Manager – darunter Rolf Breuer, Josef Ackermann und Jürgen Fitschen – sich des Prozess­betrugs schuldig gemacht hätten. Zwar wird sich nun auch der Bundes­gerichts­hof mit dem Fall befassen, doch eines steht schon heute fest: Trotz Frei­spruch ist der Reputations­schaden für die hoch­rangigen Manager enorm.

Denn unsere Presse­freiheit ist wie ein breiter Fluss: Sie trägt viel, leider manchmal auch viel Dreck. Wer dabei nicht redet, über den wird geredet – und das nicht immer gut. Das gilt auch und gerade in Straf­verfahren. Ein Rechts­streit endet eben nicht an der Tür­schwelle des Gerichts­saals, sondern setzt sich mit unverminderter Härte draußen fort. Dort also, wo sich die Menschen ihre Meinung bilden. Ein Straf­verteidiger sagte mir neulich: „Mit No-Comment erreiche ich für meinen Mandanten heute vieles, aber sicher kein gesamt­heitlich-zufrieden­stellendes Ergebnis mehr."

Bislang begegneten Anwälte den Medien oft mit viel Unbehagen, fürchteten, öffentlich geäußerte Worte könnten ihnen später auf die Füße fallen. Das Handeln einiger Straf­verteidiger konnte man schon mal als Aussage­verweigerung beschreiben. Tatsächlich unterscheiden sich Gerichts­saal und Öffentlichkeit elementar: Vor Gericht gilt in dubio pro reo, aber wie oft vernehmen wir diesen Grund­satz über den reinen Wort­laut hinaus schon ein­mal medial? Nur selten und meist auch nur dann, wenn Kommunikatoren eine Menge Überzeugungs­arbeit geleistet haben. Viel häufiger gilt hier: Im Zweifel gegen den Angeklagten.

Wer sich nicht äußert, gilt als schuldig

Die Öffentlichkeit hält beim staats­anwaltschaftlichen Anfangs­verdacht den Beschuldigten erst einmal für schuldig – mindestens so lange bis seine Un­schuld bewiesen ist. Schon vor mehr als zehn Jahren fand PR-Fachmann Kent Jarrell in den USA heraus: Wer die Vorwürfe einerseits abstreitet, anderer­seits aber sich nicht weiter zur Sache äußert, wird von knapp zwei Dritteln der Öffentlichkeit für schuldig gehalten. Besser daher: Keine „Kein-Kommentar-Strategie", mag sie auf den ersten Blick auch noch so verlockend und unkompliziert erscheinen. Denn sie wird als ein Schuld­eingeständnis gewertet.

Straf­verteidiger, die sich die Zeit für Hintergrund­gespräche mit Multiplikatoren nehmen, können viel für ihre Mandanten erreichen. Medien sind offen für ein­ordnende Hinweise abseits des juristischen Protokolls. Das haben nicht zuletzt die Staatsanwaltschaften festgestellt, die solche Gespräche anbieten. Damit lässt sich zwar nicht die Bericht­erstattung steuern, aber zumindest für Transparenz sorgen. Wer diese aufwändige Arbeit neben seiner anwaltlichen Tätigkeit nicht bewerk­stelligen kann, benötigt eben Unter­stützung. Doch Vorsicht: Nicht jeder, der über ein Adress­buch und ein Fax­gerät verfügt, ist gleich ein guter PR-Berater. Ein juristischer Back­ground gepaart mit breiter kommunikativer Krisen­erfahrung ist für fundierte Litigation-PR das Minimum.

Hans Dahs jun. hatte schon vor Jahren recht, als er schrieb: Die flankierende Begleitung der Verteidigungs­arbeit durch Medien­kontakte stehe „in ihrer Bedeutung zu­weilen der Verteidigung in der Sache fast gleich". Während die katholische Kirche Jahrzehnte braucht, um Heilige zu schaffen, gelingt Medien dies meist viel schneller: Häufig sind schon wenige Stunden genug. Nur sitzen diese Heiligen eben selten auf der Anklage­bank. Und wer doch ein­mal gar nichts sagen will, der sollte das zumindest gut begründen.

Eine gute Reputation ist wie ein funktionierendes Immun­system. Auch wenn einem der Wind einmal kräftiger ins Gesicht bläst, hält es gesund. Oberste Priorität sollte daher haben, die Reputation des Beschuldigten unter allen Umständen zu schützen. Genau nach diesem Kriterium suchen sich solche Betroffenen auch vermehrt ihre Straf­verteidiger aus. Denn es hilft keinem, wenn es am Ende heißt: Operation gelungen, Patient tot.

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