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Bremsklotz statt Impulsgeber
Die „Revolution im Gerichtssaal“ (Handelsblatt) bleibt aus. Der Deutsche Juristentag hat im September ein Zeichen gesetzt: nicht für, sondern gegen mehr Öffentlichkeit in Strafverfahren. Eine Einordnung von Martin Wohlrabe im PR-Magazin.
Die Ernüchterung kam spät, aber gewaltig. Zwei Tage diskutierte der Deutsche Juristentag intensiv zur „Öffentlichkeit im Strafverfahren“. Ein wichtiges Thema – nicht nur für die PR, sondern auch für die Juristen. Viele beherzte Beiträge, teils neue Impulse und am Ende? Kaum Bereitschaft, der sich ändernden Medienwelt zu öffnen. Das Ergebnis, knapp zusammengefasst: Künftig sollen Kameras an Bundesgerichten filmen dürfen. Dies entspricht ziemlich genau dem verabschiedeten Gesetzentwurf der Bundesregierung. Aufnahmen an anderen Gerichten? Übertragung in weitere Sitzungssäle? Gar echte Live-Übertragungen? Fehlanzeige. Ein enttäuschendes Ergebnis, denn wieder einmal wurde die Chance vertan, ein Zeichen für mehr Öffentlichkeit und damit Transparenz zu setzen.
Doch wie so häufig: Wo Schatten, da auch Licht – und damit aus PR-Sicht gute Nachrichten: Im Ermittlungsverfahren (also der Phase vor der Hauptverhandlung) sollen Beschuldigte durch einheitliche Gesetze besser geschützt werden. Bislang sind hier die Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft sich zu äußern ein Gesetzes-Flickenteppich. Der Plan jetzt: Künftig dürfen personenbezogene Auskünfte nur nach Einwilligung erteilt werden oder wenn sich der Beschuldigte selbst zu erkennen gegeben hat. Dies ist eine gute, eine richtige Entscheidung: Denn: Noch immer erleiden vermeintliche Straftäter viel zu häufig bereits zu Beginn einen kaum wiedergutzumachenden Reputationsverlust. Im Ermittlungsverfahren genießt die Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens das besondere Vertrauen der Öffentlichkeit. Und dies wird teils bedenklich eingesetzt. Ein Beispiel: Regelmäßigen Hintergrundrunden der Ankläger sind mittlerweile viel zu häufig Regel statt Ausnahme. Hier setzt der Juristentag daher an einem wichtigen Punkt an. Insgesamt lässt sich jedoch leider ernüchternd feststellen: Anstatt Impulsgeber zu sein, hat sich das Parlament der Juristen diesmal als Bremsklotz gezeigt. In Zeiten, in der sich die Medienwelt schneller denn je entwickelt, kein glückliches Zeichen.